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Wehret den Anfängen! - Erwiderung zu Hauß, FamRB 2023, 122 (Kogel, FamRB 2023, 205)

Hauß hatte sich in der Märzausgabe des FamRB mit der Bilanzierung von Kreditverbindlichkeiten im Zugewinnausgleich in Zeiten gestiegener Geldentwertung befasst (Hauß, FamRB 2023, 122) und dabei die bisherige familienrechtliche Praxis hinterfragt. Er kam zu dem Schluss, dass die Abzinsung der offenen Kreditforderung im Zeitraum zwischen Fälligkeit und Bewertungsstichtag mit einem realistischen Zinssatz zu erfolgen habe, der einem stichtagsbezogenen Neukredit entspricht. Hiergegen wendet sich Kogel mit seiner kritischen Erwiderung.

I. Striktes Stichtagsprinzip nach der Rechtsprechung des BGH
II. Durchbrechung des Stichtagsprinzips durch Inflationsverluste

1. Parallele zur betagten Forderung
2. Verlust der Justitiabilität von Zugewinnverfahren
a) Vergleich mit einem fiktiven Kreditabschluss zum Stichtag
b) Mangelnde zuverlässige Parameter für eine Neubewertung
c) Das Kreditinstitut als Entscheidungsträger?
d) Endlose Verfahrensdauer


I. Striktes Stichtagsprinzip nach der Rechtsprechung des BGH
Der gesetzliche Güterstand ist holzschnittartig aufgebaut. Allein die Stichtage zum End- und Anfangsvermögen sind für die Berechnung maßgebend (vgl. § 1374 Abs. 1, § 1375 Abs. 1, § 1384 BGB). Hinzu kommen ggf. der Berechnungszeitpunkt einer privilegierten Zuwendung (§ 1374 Abs. 2 BGB) und seit der Güterechtsreform der Stichtag der Trennung als Korrektiv (§ 1375 Abs. 2, § 1379 Abs. 1 BGB). Immerhin sind damit auf beiden Seiten je vier und damit acht Zeitpunkte für die Berechnung zu berücksichtigen. Eine rein stichtagsbezogene Bewertung vertritt der BGH seit der grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1983 ständig. Er erklärt:

„Ob ein Ehegatte während der Ehe einen Zugewinn erzielt hat, entscheidet sich nicht danach, welches Schicksal seine Vermögensgegenstände und Schulden in dieser Zeit hatten. Um einer einfachen Abwicklung des Güterstandes willen schreibt das Gesetz lediglich einen Vergleich der Werte vor, die das Vermögen des Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beginn des Güterstandes hatte. Ist der Wert am Ende höher als zu Anfang, ist der Zugewinn erzielt. Gleichgültig ist, aufgrund welcher Umstände es zur Werterhöhung gekommen ist: ob durch die Verringerung von Verbindlichkeiten, durch den Erwerb neuen Aktivvermögens oder durch echte Wertsteigerungen bereits vorhandenen Vermögens. Wesentlich ist nur, dass der Gesamtwert am Ende des Güterstandes höher ist als der Gesamtwert zu Beginn. Daraus folgt, dass bei der Ermittlung, ob ein Zugewinn erzielt ist, nicht auf die einzelnen Vermögensbestandteile oder Schulden abgestellt werden darf. Die einzelnen Vermögensgegenstände bilden nur Rechnungsposten in der Zugewinnbilanz; für die Feststellung des Zugewinns kommt es allein auf das Ergebnis an, das sich aus der Gegenüberstellung aller Werte des Aktivvermögens und der Verbindlichkeiten zu den beiden Bewertungszeitpunkten ergibt.“

Weder Verläufe noch das Schicksal einzelner Vermögensgegenstände während der Ehe oder nach Rechtshängigkeit sind demnach von Bedeutung. Allenfalls über eine grobe Unbilligkeit gem. § 1381 BGB kann noch eine Korrektur erreicht werden. Bekanntermaßen wird die Norm aber jedenfalls durch die Rechtsprechung des BGH äußerst restriktiv ausgelegt. Sie kann nur dann eine Korrektur bewirken, wenn das Ergebnis „in unerträglicher Weise dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechen würde“.

Damit scheint eine Zugewinnausgleichsberechnung eigentlich eine einfach gelagerte Aufgabe. Mancher internetafine Mandant artikuliert dies auch so. Beschäftigt man sich mit dem Thema indes näher, handelt es sich oftmals um äußerst komplizierte, zeitaufwendige und arbeitsintensive Verfahren mit höchst strittigen Auseinandersetzungen zu den einzelnen Vermögenswerten. Sofern es um Punktesachen mit Immobilien und Gesellschaftsbeteiligungen geht, sind jahrelange Rechtsstreitigkeiten geradezu die Regel. Das längste Verfahren, das der Unterzeichner begleitet hat, dauerte immerhin 17 Jahre. Obwohl es nur um ein Grundstück ging, waren fünf Gutachten in zwei Instanzen notwendig, wobei die Werte der Gutachten bemerkenswerter Weise um bis zu 100 Prozent voneinander abwichen.

II. Durchbrechung des Stichtagsprinzips durch Inflationsverluste
Bislang wurde der Nominalwert einer Verbindlichkeit, die für die Finanzierung einer Immobilie aufgenommen worden ist, zum Stichtag angesetzt. Hauß ist nunmehr der Ansicht, dass wegen der derzeit hohen Inflation unbedingt Abschläge gemacht werden müssten. Vor einer solchen Berechnung kann nicht dringend genug gewarnt werden.

1. Parallele zur betagten Forderung
Schon sein Ausgangspunkt erscheint mehr als fraglich. Richtig ist: Bei betagten Forderungen, die ja erst später zu erfüllen sind, wird in der Tat überwiegend eine Abzinsung vertreten. Diese Forderung belastet den Betreffenden weniger als eine sofort am Stichtag zu erfüllende Schuld. Dies ist aber eine ganz andere Fallkonstellation. Zum Stichtag muss die Verbindlichkeit nicht bezahlt werden, vielmehr erst später. Bei der Bewertung von finanzierten Immobilien wird hingegen fiktiv auf den Stichtag und einen Verkauf an einen Dritten abgestellt. Was würde der Eigentümer gerade dann erhalten? Von welchen Verbindlichkeiten würde er zu diesem Stichtag befreit werden? Eventuelle (latente) Steuern – nicht aber angeblich die Vorfälligkeitsentschädigung nach BGH – sowie sonstige Kosten (z.B. Vermarktungskosten etc.) werden abgezogen. Zu Recht wird nach bislang allgemeiner Meinung....



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Lesen Sie - ebenfalls in Ausgabe 5/2023 - die auf diesen Beitrag folgende Replik von Hauß:

Güterrechtliche Bilanzierung von Kreditverbindlichkeiten unter Bedingungen einer steigenden Inflation - Replik zu Kogel, FamRB 2023, 205 (FamRB 2023 208)

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.05.2023 08:59
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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