Otto Schmidt Verlag

BGH v. 29.11.2023 - XII ZB 531/22

Zur Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags betreffend die Wirksamkeit eines Ehevertrags in der Folgesache Güterrecht

Der BGH hat vorliegend die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags betreffend die Wirksamkeit eines Ehevertrags in der Folgesache Güterrecht untersucht. Zudem hat sich der BGH mit der Inhaltskontrolle von Scheidungsfolgenvereinbarungen befasst.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds in der Folgesache Güterrecht auf der Auskunftsstufe über die Wirksamkeit eines Ehevertrags und hierbei insbesondere der Vereinbarung von Gütertrennung.

Der Antragsteller, ein libanesischer Staatsangehöriger, und die Antragsgegnerin, deutsche Staatsangehörige, schlossen im September 1996 in Deutschland die Ehe. Zuvor hatten sie in Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen einen notariellen Ehevertrag geschlossen, der weitgehend einem damals vom Bundesverwaltungsamt veröffentlichten Mustertext entspricht. Der Vertragstext enthält u.a. eine Klausel, wonach die Beteiligten nach der Eheschließung ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten würden. Als Güterstand vereinbarten die Beteiligten Gütertrennung (Ziffer II. b des Vertrags). Weiter sahen sie eine Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung einer teilweise bei Eheschließung und i.Ü. bei Auflösung der Ehe fälligen Morgengabe i.H.v. insgesamt 5.000 DM sowie einer bei Auflösung der Ehe fälligen "Abstandssumme" von 1.000 DM vor. Zu den Voraussetzungen der Ehescheidung trafen die Beteiligten unter Ziffer II. d folgende Regelung:

"Ich, der Erschienene zu 1., ermächtige und bevollmächtige hiermit die Erschienene zu 2. als zukünftige Ehefrau, sich durch Scheidung aus dem ehelichen Band zu befreien, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere in Fällen des Gesetzes, falls
aa) der Ehemann eine andere Frau nimmt,
bb) der Ehemann länger als drei Monate abwesend ist,
cc) der Ehemann den Unterhalt für die Ehefrau nicht zahlt,
dd) der Ehemann die Ehefrau in einem Grade mißhandelt, daß das eheliche Zusammenleben unerträglich wird,
ff) der Ehemann die Ehefrau an der Ausübung eines standesgemäßen Berufs hindert."

Zum nachehelichen Unterhalt enthält der Vertrag unter Ziffer II. f folgende Regelung:
"Ich, der Erschienene zu 1., verpflichte mich hierdurch für den Fall einer Scheidung meiner Ehe mit der Erschienenen zu 2. aus meinem Verschulden der Erschienenen zu 2. einen standesgemäßen Unterhalt zu gewähren. Diese Verpflichtung soll eintreten, wenn der Ehemann die Scheidung veranlaßt oder die Ehefrau die Ehescheidung aus einem der gesetzlichen und vorstehend vereinbarten in der Person des Ehemannes liegenden Gründe verlangt."

Zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder regelten die Beteiligten unter Ziffer II. g des Vertrags, dass die Antragsgegnerin im Falle der Auflösung der Ehe dieses weiterhin innehaben sollte, und zwar für Söhne mindestens sieben Jahre und für Töchter mindestens neun Jahre nach der Geburt. Weiter heißt es dort: "Die Kosten werden durch den Richter oder im Einvernehmen der Parteien festgesetzt."

Unter Ziffer III. des Ehevertrags ist abschließend geregelt:
"1. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Ehevertrages unwirksam sein oder werden, so wird davon die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhalts nicht berührt.
2. Wir, die Erschienenen zu 1. und 2., entbinden hierdurch den amtierenden Notar von jeder Haftung aus Nicht- oder Falschanwendung anderen als Deutschen Rechts".

Die Beteiligten leben seit dem 30.8.2018 getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 25.7.2019 zugestellt. Die Antragsgegnerin stellte einen Stufenantrag zur Folgesache Güterrecht, mit dem sie zunächst die Verpflichtung des Antragstellers begehrt, ihr Auskunft über sein Anfangs-, sein Trennungs- und sein Endvermögen zu erteilen und die Auskunft zu belegen. Dem ist der Antragsteller unter Hinweis auf die im Ehevertrag vereinbarte Gütertrennung entgegengetreten.

Das AG wies den Auskunftsantrag durch Teilbeschluss ab. Hiergegen legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein und erweiterte ihre Anträge auf entsprechenden Hinweis des OLG auf erster Stufe um einen Zwischenfeststellungsantrag, mit dem sie die Feststellung begehrt, dass der Ehevertrag unwirksam sei. Hierauf stellte das OLG fest, dass der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag (insgesamt) unwirksam ist. Zudem änderte es den Teilbeschluss des AG ab und verpflichtete den Antragsteller auf erster Stufe zur Erteilung der begehrten Auskünfte und Vorlage von Belegen. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der Zwischenfeststellungsantrag ist nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom OLG mit Blick auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit angestellten Erwägungen zur Erforderlichkeit eines solchen Antrags zutreffen.

Bei dem mit dem Zwischenfeststellungsantrag zur Überprüfung gestellten Ehevertrag handelt es sich um ein für die Entscheidungen über den geltend gemachten Auskunftsanspruch und einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich vorgreifliches Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 2 ZPO. Denn die geltend gemachten güterrechtlichen Ansprüche wären nach der vereinbarten Gütertrennung ausgeschlossen, wenn diese Vereinbarung wirksam wäre. Demgegenüber könnten die Ansprüche bestehen, wenn wie die Antragsgegnerin festzustellen begehrt der von den Beteiligten geschlossene Ehevertrag und damit die darin vereinbarte Gütertrennung nichtig wäre. Dass die Entscheidung zum Güterrecht die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Hinblick auf den Ehevertrag nicht erschöpfend regelt, weil dessen Wirksamkeit auch für andere Scheidungsfolgen und nacheheliche Rechtsbeziehungen der Beteiligten relevant ist, hindert die Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrags der Antragsgegnerin nicht, weil nur durch die Überprüfung des Ehevertrags auf seine Gesamtnichtigkeit eine abschließende und einheitliche Klärung dieser Streitfrage erreicht werden kann. Der Zulässigkeit des Antrags steht anders als die Rechtsbeschwerde meint auch nicht entgegen, dass er erstmals im Beschwerdeverfahren gestellt wurde.

Die Würdigung des Ehevertrags und damit auch der darin getroffenen Vereinbarung über die Gütertrennung als sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt. Subjektiv sind auch die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die die Ehegatten dazu bewogen haben, den Ehevertrag zu schließen. Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird.

Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen indes nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten.

Bei Vorliegen derartiger Umstände würde indes auch die hier in den Vertrag aufgenommene salvatorische Klausel bei Nichtigkeit einzelner Vertragsklauseln nichts an der Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags und der damit einhergehenden Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Gütertrennung ändern. Zwar ist eine salvatorische Klausel für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehevertrag auch ohne einzelne sittenwidrige und daher nichtige Vertragsbestandteile geschlossen worden wäre, nicht von vornherein ohne Bedeutung. Wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, erfasst die Nichtigkeitsfolge aber notwendig den gesamten Vertrag, ohne dass eine Erhaltungsklausel hieran etwas ändern könnte. Denn in diesem Falle spiegelt sich auch in der Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst eine etwa auf ungleichen Verhandlungspositionen beruhende Störung der Vertragsparität zwischen den Ehegatten wider. Nichts anderes gilt, wenn sich die Nichtigkeit von Einzelregelungen aus § 134 BGB ergibt und der Vertragsschluss Ausdruck einer Störung der Vertragsparität ist.

Die vorliegende Würdigung des Ehevertrags durch das OLG als insgesamt sittenwidrig und damit nichtig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB kann danach auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben. Denn es fehlt an jeglichen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer subjektiven Imparität, etwa aufgrund ungleicher Verhandlungspositionen der Beteiligten und sonstiger Randumstände bei Vertragsschluss, sowie an einer diesbezüglichen rechtlichen Würdigung.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.01.2024 11:12
Quelle: BGH online

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