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Haus gegen Versorgung - Der Versuch einer Lösung für das Bewertungsproblem von Versorgungen (Hauß, FamRB 2024, 37)

Immer wieder wird an die Anwaltschaft im Rahmen von Scheidungsverfahren der Wunsch eines oder beider Beteiligten herangetragen, die Übernahme einer Immobilie durch einen der Ehegatten zu ermöglichen, indem ihr Wert ganz oder teilweise gegen eine Versorgung verrechnet wird. Solche Ideen werden durch die Angaben der Bar‑, Kapital- oder korrespondierenden Kapitalwerte in den Auskünften der Versorgungsträger angeregt. Ehegatten, oft aber auch Anwalt‑, Richterschaft und Rentenberater neigen dazu, die Wertangaben der Versorgungsträger für „bare Münze“ zu nehmen und die mitgeteilten Kapitalwerte 1 : 1 in eine Tauschvereinbarung umzusetzen. Gleichgültig scheint dabei zu sein, ob zwei Versorgungen gegeneinander oder eine Versorgung gegen einen anderen Vermögenswert saldiert werden sollen. Doch das geht – jedenfalls kaufmännisch – fast immer für einen oder auch für beide Ehegatten schief. Wir wissen aber alle, dass man das Leben und die dazugehörende Scheidung nicht nur kaufmännisch führen kann. Ziel des Beitrags ist es, eine Lösung für das Bewertungsproblem von Versorgungen bei einer Saldierung gegen eine andere Versorgung oder einen anderen Vermögenswert zu entwickeln.

1. Was ist der „wahre wirkliche Wert“ einer Versorgung?
a) Markt für Häuser
b) Kein Markt für Versorgungen
c) Tausch „Haus gegen Versorgung“
2. Alternative Wertbemessungsmethoden
a) Wiederbeschaffungswert
b) Barwert
c) Maßgebliche Bewertungsparameter
3. Behaltens- gegen Verzichtsbarwert?
4. Sind Steuer- und Sozialabgaben zu berücksichtigen?
5. Vergängliches gegen Unvergängliches, ein fairer Tausch?
6. Praktische Umsetzung einer Kaufkraftbewertung
7. Fazit


1. Was ist der „wahre wirkliche Wert“ einer Versorgung?

Werden Versorgungen intern geteilt und wird diese Teilung „lege artis“ vorgenommen, können beide Seiten auf die Realisierung des Halbteilungsanspruchs vertrauen, wenn die Teilungsordnung (TO) des Versorgungsträgers den Vorgaben des Gesetzes folgt.

Wenn aber – wie auch im Zugewinnausgleich – die Teilhabe der Ehegatten am ehezeitlichen Vermögenserwerb dadurch geschieht, dass die Versorgungen mit einem Wert versehen, diese Werte bilanziert und dann gegen einen anderen Vermögensgegenstand oder eine andere Versorgung, gehandelt (getauscht) werden soll, besteht natürlich der Anspruch, die „wahren und wirklichen Werte“ der Vermögensgegenstände zu erfassen und auf dieser Basis den Tausch zu vollziehen und den Wertüberhang des einen durch eine Geldzahlung oder einen dinglichen Tausch auszugleichen.

Die von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapital- oder korrespondierenden Kapitalwerte sind für einen solchen Vergleich völlig ungeeignet: Die DRV würde einen ehezeitlichen Rentenerwerb von 100 € im Ehezeitende 30.11.2023 mit einem korrespondierenden Kapitalwert i.H.v. 21.342 € beauskunften. Ein betrieblicher Versorgungsträger, der seine Versorgung nach den gleichen Parametern der gesetzlichen Rente abbilden würde, müsste für einen 50-jährigen Mann einen Kapitalwert von rd. 35.850 €, also einen rd. 68 % höheren Kapitalwert mitteilen.

a) Markt für Häuser
Nun kann man es sich natürlich sehr einfach machen. Der wahre Wert eines Vermögensgegenstandes wird durch den Preis definiert, zu dem man den Vermögensgegenstand weder kaufen noch verkaufen würde. Diese Bestimmung des „wahren“ Werts eines Vermögensgegenstands funktioniert aber nur bei marktfähigen Gegenständen und Leistungen. Bei diesen bildet der Verkaufspreis deren Wert für den Eigentümer ab. Ein Haus ist marktfähig, also ist der Verkaufspreis (Marktpreis) sein Wert. Man könnte dies als einen „objektiven Wert“ bezeichnen, weil er völlig unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers ermittelt wird und realisierbar ist.

b) Kein Markt für Versorgungen
Für Versorgungen existiert aber kein Markt. Versorgungen sind für die Versicherten „unverkäuflich“. Ein 50-jähriger privat Rentenversicherter kann seine Versorgung nicht einem 70- oder 30-Jährigem „verkaufen“ (übertragen). Die Versorgung wäre eine andere, ihre Leistungen würde höher oder niedriger ausfallen. Haus, Auto und Aktien bleiben dagegen dinglich und rechtlich nach ihrem Verkauf unverändert, wenn auch in Händen eines neuen Eigentümers. Versorgungen können allenfalls aufgelöst werden, indem auf den Versorgungsanspruch gegen den Versorgungsträger „verzichtet“ wird. In diesem Fall erhält der Versicherte vom Versorgungsträger die in der Bilanz des Versorgungsträgers kalkulierten Kosten der Versorgung zurück (Rückkaufswert). Die Regel ist das aber nicht. Der Versicherer finanziert die Renten planwidrig spät Versterbender aus den Renteneinsparungen für planwidrig früh Versterbende. Das ist Teil seines Geschäftsmodells.

Außerdem ist es für die Versicherten völlig egal, welche Kosten der Versorgungsträger für eine Versorgungszusage kalkuliert. Sie haben einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf die zugesagte Versorgungsleistung, die, falls der Versorgungsträger die Leistung nicht erbringen kann, durch staatliche oder private Rückdeckungsversicherer krisenfest garantiert ist.

c) Tausch „Haus gegen Versorgung“
Ein Tausch von Vermögenswerten unterschiedlicher Provenienz funktioniert allenfalls bei marktfähigen Vermögensgegenständen, für die am Belegenheitsort ein Markt existiert. Beim Tausch „Haus gegen Versorgung“ ist dies nicht der Fall. Nur für Häuser existiert ein Markt, nicht für Versorgungen. Nur die Anbieter von Versorgungen tummeln sich auf dem Markt, nicht aber...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.01.2024 10:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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