Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Der einem Kind durch den Umgang mit seinen Eltern entstehende Unterhaltsmehrbedarf - zugleich Besprechung von OLG Bamberg v. 30.1.2023 - 7 UF 190/22 , FamRB 2023, 239 (Spangenberg, FamRB 2024, 76)

Nach Ansicht des Verfassers entspricht es nicht mehr den aktuellen Familienverhältnissen und dem geltenden Recht, wenn der umgangsberechtigte Elternteil grundsätzlich die durch die Wahrnehmung des Umgangs entstehenden Kosten zu tragen hat. Umgangskosten, gleich bei welchem Elternteil sie anfallen, sind als Mehrbedarf Bestandteil des kindlichen Barunterhalts und sind von beiden Eltern im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit zu tragen.

1. Die Ausgangslage
2. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse
3. Die Folgerungen
4. Der Fall des OLG Bamberg v. 30.1.2023 - 7 UF 190/22, FamRZ 2023, 1211 = FamRB 2023, 239 (Clausius)
5. Die eigene Praxis
6. Das Fazit
7. Ausblick


1. Die Ausgangslage

Vor knapp 30 Jahren hat der BGH die damalige Praxis zu den Kosten, die Eltern durch den Umgang mit einem Kind entstehen, wie folgt festgeschrieben: „Grundsätzlich hat der Umgangsberechtigte die üblichen Kosten, die ihm bei der Ausübung des Umgangsrechts entstehen, wie Fahrt‑, Übernachtungs‑, Verpflegungskosten und Ähnliches selbst zu tragen und kann sie weder unmittelbar im Wege einer Erstattung noch mittelbar im Wege der Einkommensminderung (ergänze: bei der Bemessung anderer Unterhaltsansprüche) geltend machen“. Eine Kostenbeteiligung des anderen Elternteils wird nur in Ausnahmefällen erwogen, insbesondere wenn anderenfalls der Umgangsberechtigte aus finanziellen Gründen an der Ausübung seines Umgangsrechts gehindert würde.

Diese Regeln hat der BGH aus einer Zeit übernommen, als, um es vereinfacht darzustellen, die Frau in der Familie noch die Rolle der Hausfrau und Mutter innehatte und der Mann der Alleinverdiener und für den Barunterhalt Verantwortliche war. Im Fall der Scheidung blieb die Mutter für die Sorge der Kinder zuständig, während der Vater zum Umgangsvater wurde, der im Übrigen – wie zur Zeit der intakten Familie – der finanziell allein Verantwortliche blieb. Damit stand es außer Frage, dass er auch die Kosten für die Wahrnehmung des Umgangs mit seinen Kindern zu tragen hatte.

2. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse
Bei diesen Grundsätzen ist es bis in die jüngste Zeit geblieben, obwohl sich die Situation von Mutter und Vater sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht grundlegend geändert hat. Während früher dem Vater zumeist alle 14 Tage ein Wochenendumgang mit dem Kind zugestanden wurde, sofern es das dritte Lebensjahr vollendet hatte, je nachdem mit oder ohne Übernachtung, engagieren sich Väter inzwischen zunehmend bei der Betreuung ihrer Kinder. Daraus hat sich eine Vielfalt von Umgangsformen entwickelt. Sie reichen vom stundenweisen betreuten Umgang bis hin zur paritätischen Mitbetreuung eines Kindes durch beide Eltern.

Frauen sind inzwischen ebenso erwerbstätig wie Männer, wozu die Reform des Unterhaltsrechts beigetragen hat. Da Kinder deshalb häufig zwei erwerbstätige Eltern haben, wird der der Beziehungspflege dienende Umgang des Kindes gleichermaßen gegenüber beiden Eltern bedeutsam. Es gehört zu den Aufgaben der Eltern, diesen Umgang im Rahmen des ihnen Möglichen sicherzustellen, was bedeutet, dass jeder auch den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu fördern, beispielsweise etwaige Widerstände abzubauen hat.

Früher war es fast die Regel, dass eine Scheidungsfamilie den seitherigen Lebensraum im Wesentlichen beibehielt, häufig in der Weise, dass die Mutter mit den Kindern in der ehemalig ehelichen Wohnung blieb und der Vater seinen Wohnsitz in unmittelbarer Nähe nahm. Heutzutage entwickeln Eltern, die sich trennen, sowohl beruflich wie privat neue Perspektiven, so dass sich ihre Lebensmittelpunkte verändern und sie womöglich weit auseinander driften. Noch aufwendiger kann sich der Umgang gestalten, wenn ein Elternteil oder beide ihren Wohnsitz im Ausland nehmen.

Als Folge der veränderten Verhältnisse ergeben sich neue Rechtsfragen, wie: Sind Fahrtkosten umgangsbezogen oder gehören sie zum kindlichen Mehrbedarf? Bis zu welchem Umfang zählen elterliche Aktivitäten wie schulische Betreuung noch zum Umgang und ab wann befriedigen sie einen kindlichen Mehrbedarf? Diese Fragen sind nicht immer leicht zu beantworten.

3. Die Folgerungen
Die dargelegten Veränderungen wecken Zweifel, ob die Rechtsprechung zu den Umgangskosten noch zeitgemäß ist.

Einen Anstoß, die Umgangskosten neu zu bedenken, gibt auch die Entscheidung des BGH, in der er die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells als erweiterte Umgangsregelung für rechtens erachtet. Damit ist insofern ein Präzedenzfall geschaffen, als das paritätische Wechselmodell die erste „erweiterte Umgangsregelung“ ist, bei der die Eltern ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.02.2024 09:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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