OLG Hamm v. 9.1.2024 - 4 WF 156/23
Vollstreckung aus einem im Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleich
Zwar spricht der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG nur von der Zustellung des Beschlusses und erwähnt den Vergleich als Vollstreckungstitel nicht. Der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG ist aber aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens zu eng gefasst und die Norm daher analog auch auf gerichtlich protokollierte Vergleiche anzuwenden.
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten hatten im Januar 2021 in einem Gewaltschutzverfahren vor dem AG einen unbefristeten Vergleich dahingehend geschlossen, dass wechselseitige Kontaktaufnahmen über sämtliche Medien zu unterbleiben haben und ein Mindestabstand von 50 Metern zueinander einzuhalten ist. Das AG verkündete nach Vergleichsschluss noch den Beschluss, dass die Vereinbarung familiengerichtlich genehmigt wird und drohte für jeden Verstoß gegen die Vereinbarung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 25.000 € an. Weder das Protokoll noch eine Beschlussausfertigung wurde den Beteiligten zugestellt.
Mit Beschluss vom 10.5.2023 hat das AG auf Antrag der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin wegen Verstoßes gegen die oben bezeichnete Vereinbarung ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 €. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, beantragte die Aufhebung des Beschlusses und führte zur Begründung aus, das AG habe außer Acht gelassen, dass die Anrufe wechselseitig erfolgt seien. Weiterhin fehle es mangels Vollstreckungstitel an den Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung, insbesondere sei keine sofortige Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung erfolgt.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss des AG nebst der Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben.
Die Gründe:
Es konnte dahinstehen, ob materiellrechtlich die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses vorgelegen hatten. Jedenfalls fehlte es an den formalen Voraussetzungen für die Vornahme einer Zwangsvollstreckung.
Gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. §§ 890, 891 ZPO kann der Berechtigte zwar zur Durchsetzung einer im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens eingegangenen Verpflichtung die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragen. Dafür bedurfte der Gewaltschutzvergleich vor seiner Zwangsvollstreckung als allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzung (§§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 794 Abs. 1 Nr. 1, 750 ZPO) allerdings der förmlichen Zustellung, die vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit dieser erfolgen muss. Zwar spricht der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG nur von der Zustellung des Beschlusses und erwähnt den Vergleich als Vollstreckungstitel nicht. Der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG ist aber aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens zu eng gefasst und die Norm daher analog auch auf gerichtlich protokollierte Vergleiche anzuwenden.
An einer Zustellung fehlte es im vorliegenden Fall allerdings. Weder enthielt die Akte des Verfahrens einen entsprechenden Nachweis einer Zustellung des Vergleichsprotokolls noch war dort eine entsprechende Anordnung vermerkt. Auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens war ausweislich des Akteninhalts keine Zustellung des Vergleichsprotokolls erfolgt. Die Begründung des AG, einer förmlichen Zustellung habe es hier nicht bedurft, „da der Vergleich in Anwesenheit der Beteiligten wirksam geschlossen und der Androhungsbeschluss in deren Anwesenheit bekannt gegeben und damit wirksam“ geworden sei, überzeugte schon deshalb nicht, weil die Wirksamkeit eines Vergleichsschlusses keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, auf die förmliche Zustellung eines Titels als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung verzichten zu können.
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