Otto Schmidt Verlag

BGH v. 18.4.2024 - V ZB 51/23

Erwerb von Miteigentumsanteil an nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB. Möchte ein Elternteil einen Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden - weder vermieteten noch verpachteten - Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch einen Ergänzungspfleger genehmigt werden.

Der Sachverhalt:
Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder des Beteiligten zu 1) und seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2). Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 20.12.2022 übertrug der Beteiligte zu 1) das Grundstück schenkweise zu je hälftigem Miteigentum an die Kinder. Diese wurden durch die Beteiligten zu 1) und 2) vertreten, zu deren Gunsten zugleich die Eintragung eines lebenslangen Nießbrauchs bewilligt wurde. Der Notar reichte die Urkunde mit der Bitte um entsprechende Eintragungen bei dem Grundbuchamt ein.

Das Grundbuchamt hat durch Zwischenverfügung vom 2.1.2023 die Eintragung der Rechtsänderung - soweit noch von Interesse - von der Genehmigung der Auflassung an die Beteiligten zu 3) und 4) durch einen für jedes Kind noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig gemacht. Das KG wies die Beschwerde zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten hob der BGH die Entscheidungen von AG und KG auf und wies das Grundbuchamt an, den Antrag der Beteiligten nicht aus den in der Zwischenverfügung genannten Gründen abzulehnen.

Die Gründe:
Das KG hat die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen, weil das in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufgeführte Eintragungshindernis nicht besteht (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO). Der Eigentumserwerb der Beteiligten zu 3) und 4) bedarf nicht der Genehmigung durch für die Beteiligten zu 3) und 4) noch zu bestellende Ergänzungspfleger.

Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB. Möchte ein Elternteil einen Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden - weder vermieteten noch verpachteten - Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch einen Ergänzungspfleger genehmigt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Übereignung eines Grundstücks an einen Minderjährigen bei der gebotenen isolierten Betrachtung der Auflassung grundsätzlich lediglich vorteilhaft. Die Tragung der laufenden öffentlichen Grundstückslasten bringt nach ihrer abstrakten Natur typischerweise keine Gefährdung des Minderjährigen mit sich und ihretwegen würde ein auf das Wohl des Minderjährigen bedachter gesetzlicher Vertreter oder Ergänzungspfleger seine Zustimmung zu einem Grundstückserwerb nicht verweigern. Es wäre reiner Formalismus, würde man die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer Genehmigung abhängig machen, obwohl das Ergebnis der dabei vorzunehmenden Prüfung von vornherein feststünde.

Anders ist es, wenn das Grundstück vermietet oder verpachtet ist. Der Erwerb eines solchen Grundstücks stellt sich für den Minderjährigen nicht als lediglich vorteilhaft dar, weil der Erwerb gem. § 566 (Mietvertrag), § 581 Abs. 2 (Pachtvertrag) und § 593b BGB (Landpachtvertag) zum Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag bzw. Pachtvertrag auf Vermieter- bzw. Verpächterseite führt. Die aus dem Eintritt in ein Miet- oder Pachtverhältnis resultierenden Pflichten sind ihrem Umfang nach nicht begrenzt. Ob die von ihnen ausgehenden Gefahren für das Vermögen des Minderjährigen im Hinblick auf die mit dem Grundstückserwerb verbundenen Vorteile hingenommen werden können, lässt sich deshalb nicht abstrakt beurteilen, sondern erfordert eine entsprechende einzelfallbezogene Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. einen Ergänzungspfleger. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise dann, wenn der Minderjährige nicht das Alleineigentum, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an einem vermieteten oder verpachteten Grundstück erwerben soll. Ebenso liegt es bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Hierdurch wird der Minderjährige Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Damit treffen ihn kraft Gesetzes persönliche Verpflichtungen, die ein ganz erhebliches Ausmaß annehmen können und der Annahme eines lediglich rechtlichen Vorteils i.S.v. § 107 BGB entgegenstehen.

Dass zwischen der Übertragung des Alleineigentums an einem Grundstück und der Übertragung eines Miteigentumsanteils bei der Prüfung des § 107 BGB nicht zu differenzieren ist, entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur. Soweit die Übertragung eines Miteigentumsanteils ausdrücklich thematisiert wird, wird davon ausgegangen, dass (auch) der Erwerb eines Miteigentumsanteils lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Es gelte nichts anderes als bei der Übertragung von Alleineigentum. Der Erwerber müsse aus seinem Vermögen, das er vor Abschluss des Vertrags besaß, nichts aufgeben und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen. Demgegenüber möchte das KG, dem sich das OLG München jedenfalls für die Veräußerung eines bebauten Grundstücks angeschlossen hat (MDR 2024, 293 f.), den Erwerb eines Miteigentumsanteils in gleicher Weise wie den Erwerb einer Eigentumswohnung als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft qualifizieren und verweist zur Begründung auf die Verpflichtungen, die mit dem Eintritt in eine Bruchteilsgemein-schaft verbunden sind (insbesondere: Lastentragung nach § 748 BGB). Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grund-stück ebenso wie der Erwerb des Alleineigentums an einem solchen Grundstück lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB ist.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.05.2024 17:01
Quelle: BGH online

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